All-Rad ... das herrenlose Unisexfahrrad
„Wir stellen uns eine Welt vor, in der Fahrräder als Gemeingut gelten und im sozialen Miteinander verwaltet, verwendet und zur Verfügung gestellt werden.“ (Vision des Fahrradverleihs „All-Rad“)
Inspiriert durch die Ideen und Konzepte der anarchistischen Protestbewegung Provo aus Amsterdam, die in den 1960er Jahren mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen unter dem Namen „The white bicycle plan“ das erste free-floating bike sharing Modell entwickelte und damit mächtig den Verkehr in Amsterdam umkrempelte, entwickelte unsere Kleingruppe eine eigene Vision eines Bikesharing-Systems. Die Ansätze der Amsterdamer Gruppe überzeugten uns durch ihre Einfachheit: um den Fahrradverkehr in Amsterdam zu stärken, verteilten die Aktivist*innen in der gesamten Stadt unabgeschlossene weiß angestrichene Fahrräder- für jede*n zugänglich. Hauptantriebsgrund war dabei eine Eindämmung des Autoverkehrs und damit verbunden eine verbesserte Sicherheitslage und eine gesteigerte Luftqualität. Diese Ziele resonierten stark mit unseren Überzeugungen. Und wir machten uns daran, eine Art white bycicle plan für Eberswalde zu entwickeln.
Ausgangslage war dabei weiterhin die Annahme, dass die Bereitstellung von einheitlich aussehenden frei zugänglichen Fahrrädern, zusammen mit einer breit angelegten Öffentlichkeitsarbeit ein Umdenken im Bezug auf den städtischen Verkehr erwirken könnte. Also machten wir uns daran, konkrete Pläne für die Umsetzung zu schmieden. Hauptfragestellungen waren in dieser Zeit vor allem Strategie- und Ressourcenfragen. Kurz: Wie kommuniziert man ein solches Unterfangen, mit den Bewohner*innen der Stadt? Wie kommen wir an Fahrräder und nötiges Material? Schnell wurde klar, dass auf fast jedem studentisch genutzten Hinterhof ungenutzte Fahrräder standen,- bereit für unser Projekt. Aus allen möglichen Ecken der Stadt erreichten uns Nachrichten von bereitwilligen Fahrradspender*innen. Werkzeug und Wissen zu Reparaturmaßnahmen warteten in der Fahrradselbsthilfewerksatt (FSW) auf uns, deren Aktivist*innen bereit waren mit uns zu kooperieren, nachdem wir auf einer FSW- Versammlung unsere Ideen vorstellten. Durch die Projektwerkstatt wurde uns großzügig Reparaturmaterial zur Verfügung gestellt. Wir waren bereit für Action.
Im Zuge unserer weiteren Auseinandersetzung mit den Mustern des Commoning, regten sich in unserer allerdings zunehmend Zweifel daran, wie „commonistisch“ unser Projektansatz eigentlich war. Schließlich würden freiverfügbaren Fahrräder eher Eigenschaften von öffentlichen Gütern als Gemeingütern aufweisen. Neben uns, als Kleingruppe, in der Funktion der Bereitsteller, würde es anonyme Nutzer*innen geben, nicht zwingend bzw. nur in der Utopie, würde ein fürsorglicher, gemeinschaftsgetragener Umgang mit den Fahrrädern erwirkt werden können. Kritisch betrachtet, könnte man die Aktion mit einer unbezahlten Dienstleistung mit unbestimmten Empfänger*innen vergleichen. Nach dieser Einsicht strukturierten wir unseren Plan radikal um.
Neuer Ansatz war es eine kleine, aber konkrete (Ziel)Gruppe zu formen, in der soziale Strukturen aufgebaut und gepflegt werden könnten, die einen gemeinschaftsgetragenen, verantwortungsvollen Umgang mit den Rädern ermöglichte. Dies sollte außerdem die Voraussetzung dafür schaffen, auf der Basis realer Bedürfnisse zu agieren. Weiterhin war uns dabei wichtig, nicht an der Gruppengrenze halt zu machen und offen für Neue und Neues zu bleiben. Unter diesen Motiven machten wir uns also nun daran, die ersten Fahrräder zu reparieren.
Auch in unserem Namen lässt sich eine Entwicklung erkennen. Arbeitstitel unserer Gruppe war zunächst Anarchoradl. Jetzt heißt das Projekt „All-Rad- das herrenlose Unisexfahrrad“. Hier stecken eine Menge Wortspiele und Hinweise drin: All (wie Allmende und allen gehörig), verweist einerseits auf die Commonsbewegung und auf die Zielgruppe (Alle), andererseits verbirgt sich hinter dem All-Rad eine Anspielung auf die platz- und naturverbrauchenden SUV´s, die erklärter Feind unserer Gruppe sind und die es langfristig von der Straße zu verdrängen gilt. Das „herrenlos“ gepaart mit der Fahrradfarbe Pink, soll darauf verweisen, dass unsere Gruppe kein Bock auf patriarchale Strukturen hat. Unisex heißt, freie Fahrt für alle, allen Geschlechts!
Interesse geweckt? Hier gehts zu unserem Konzept
Du möchtest selbst All-Rad fahren und/oder Teil dieses Projekts werden? Dann melde dich hier an.
Das Projekt ist momentan auf folgendem Stand (letztes Update: 21.02.2020):
- Ein Fahrrad ist bereits in Benutzung
- Ca. 7 Fahrräder warten darauf repariert und mit pinker Folie beklebt zu werden
- Ersatzteile, Materialen & Zahlenschlösser sind ausreichend vorhanden
- Das Konzept mit Vision, Beweggründen, Wertefundament und ersten Nutzungsvereinbarungen steht
- Einige Fragen zu den Nutzungsbedingungen (z.B. Wo im öffentlichen Raum dürfen die All-Räder abgestellt werden? Darf ein All-Rad für kurze Zeit reserviert werden?) müssen mit steigenden All-Räder- und Mitgliederzahlen erörtert werden
- Öffentlichkeitsarbeit wird benötigt, damit das Projekt bekannter und größer wird